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Dann antwortete ich jedoch ohne er sich ebenfalls mit Erics Frage Plaudern an der Kaffeemaschine.)
lange zu zögern: „In der Treue (fi- auseinandersetzte. Ed spricht von Irgendetwas in mir stimmte ihm
delity).“ einem Geheimnis, dass höchstens sofort zu. Vielleicht weil ich auch
„In der fidelity?“, fragte Eric zu- mit Analogien und Metaphern er- verspürte, dass ich Erics Frage
rück. Er war sich nicht sicher, ob klärt werden könne. bisher ohne das aktuelle Wirken
er mich richtig verstanden hatte. Als erstes geht er ein auf die Meta- Gottes und dessen ständige Prä-
Fidelity? Eric schüttelte dabei den pher des Computers, verwirft die- senz erklären wollte.
Kopf und schien mich nicht ganz se aber als zu mechanisch. Ed ver- Gott hat alle Macht, auch, um so
Eine ernst zu nehmen. mutet weiter, dass die Metaphern ein Ereignis wie das Zusammen-
treffen des Schildes an dem Ge-
der Bibel dynamischer seien, Ana-
bäude mit dem Gespräch von Eric
logien und Metaphern wie z.B. die
War es mir selbst ernst gewesen?
merkwürdige Irgendwie war dieses Wort plötz- Trinität oder Christus als Haupt und mir zu arrangieren. Nichts ist
der Gemeinde und diese sein Leib.
lich vor meinen Augen gestanden.
ihm zu klein oder zu groß. Es ist
Er kam aber doch zu dem Schluss,
seine fidelity, die die Naturgesetze
Sicher hatte diese Antwort etwas
Geschichte damit zu tun, dass ich mich in dass wir keine völlige Antwort fin- hält.
den werden und verstehen können
den Wochen vor unserer USA-
und dass wir uns nicht den Kopf Akt 4
Reise mit dem Konzept der Treue
(fidelity) des französischen Le- darüber zerbrechen sollten. Das Dann, ein Jahr später, war ich mit
bensphilosophen Gabriel Marcel Wort Gottes kenne viele solcher William R. Miller
auseinandergesetzt hatte, für den Geheimnisse.
fidelity ein Schlüsselbegriff seiner Damit konnte ich gut leben. Mit hier in der Nähe von Würzburg,
Ontologie war. (Gabriel Marcel, den Jahrzehnten des Lebens und unserem Wohnort, unterwegs,
die Schöpferische Treue, Pader- Nachdenkens erscheint mir vie- auf den Spuren seiner Vorfahren,
born 1963) les mehr als Geheimnis, was mir die vor 300 Jahren beide, die vä-
früher verständlich oder erklärbar terliche wie die mütterliche Linie,
Erik wollte gerade das Thema schien. nach Amerika ausgewandert wa-
wieder wechseln, weil er sich ent- ren. Ich konnte es mithilfe eines
schlossen hatte, meine Antwort Akt 3 Heimatforschers arrangieren, das
als Witz aufzufassen, als ich ihm Im gleichen Jahr in der IGNIS Haus herauszufinden, in dem die
auf die Schultern schlug und ihn Akademie in Kitzingen/Deutsch- Vorfahren von Bills Mutter einmal
aus dem Fenster nach draußen land bereitete ich mir gerade einen gewohnt hatten. Und wir - Kathy,
verwies. Wir fuhren gerade an ei- Kaffee, als mein Kollege Wolfram Bills Frau begleitete uns - konnten
nem Industriegebiet vorbei, wo an Soldan dazu stieß. sogar das Haus betreten, denn die
einem größeren Geschäftshaus auf Ich erzählte ihm die Geschichte jetzt dort lebende Familie – die
einem großen Schild grell und far- mit Erik und Eds Gedanken, die nichts mit der Miller Familie zu
big das Wort fidelity zu lesen war. in mir noch nachhallten. tun hat – öffnete uns auf eine Tas-
(Dazu muss ich sagen, dass man Ohne zu zögern, meinte Wolfram, se Kaffee die Tür.
mir später erklärt hat, dass fideli- dass er sich das doch gut erklären
ty ein selten gebrauchtes Wort in könne, das mit der fidelity. Wie war Bill erstaunt, also er dort
den USA sei. Mit anderen Wor- Es ist die fidelity Gottes. im Wohnzimmer eine größere
ten, noch nie vorher und seitdem Auch wenn uns unsere Antworten Anzahl von Porzellanpuppen ent-
haben wir bewusst ein Schild mit als Geheimnisse erschienen, stehe deckte, die seine eigene Mutter so
diesem Wort gelesen.) dahinter die souveräne, kreative sehr geschätzt hatte und ebenfalls
War das Zufall? fidelity Gottes. Er hält alles durch besaß – und dann hing noch zu-
Trotzdem konnten wir mit die- sein Wort. Er steht für das Zusam- sätzlich an der Wand eine Mando-
sem Hinweis nichts anfangen. menspiel von Geist und Materie, line, wie in seinem Elternhaus.
Seele und Körper mit seiner fide-
Akt 2 lity. Fidelity im Sinne von Zuver- Hier weiterlesen:
Ein paar Jahre später las ich von lässigkeit, Beständigkeit. Er lege
Ed Welch „Blame It on the Brain“ diese Zuverlässigkeit auch in die
(1998) und stieß dort auf den Ab- Naturgesetze.
schnitt „Wie verhalten sich Herz (Bitte nicht vergessen, wir lau-
und Körper zueinander?“, wo schen gerade einem zwanglosen
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